Der Aufstieg von Chinas Fahrzeugherstellern

Veröffentlicht am 10.04.2025

Prof. Han Zheng über den rasanten Aufstieg der chinesischen Automobilindustrie: Vom Lizenznehmer zum globalen Innovationstreiber

Im Rahmen eines Vortrags zeichnete Prof. Han ein beeindruckendes Bild vom Wandel und der heutigen Stärke der chinesischen Automobilindustrie. Was in den 1980er Jahren mit der Massenproduktion des VW Santana begann, hat sich innerhalb weniger Jahrzehnte zu einer globalen Erfolgsgeschichte entwickelt.

Der Weg zum globalen Automobilgiganten

1985 markierte einen Wendepunkt: Mit der Produktion des Santana setzte China erstmals auf Massenfertigung im Automobilsektor. In der Folgezeit holte das Land gezielt internationale Automarken ins Land und gründete zahlreiche Joint Ventures – eine strategische Öffnung, die Know-how, Technologie und Marktmechanismen ins Land brachte.

Heute hat China eine Produktionskapazität von 50 Millionen Fahrzeugen pro Jahr – halb so viel wie der aktuelle weltweite Bedarf von 100 Millionen. Mit rund 30 Millionen produzierten Fahrzeugen pro Jahr ist China nicht nur der größte Hersteller, sondern inzwischen auch der führende Autoexporteur – noch vor Deutschland und Japan.

Der Wandel des Marktes: Lokale Marken auf dem Vormarsch

Ein weiterer Fokus von Prof. Han lag auf der Veränderung der Marktverhältnisse: Seit 2008 sind fast 250 neue Automarken in China entstanden. Der Marktanteil internationaler Hersteller ist seit 2020 dramatisch geschrumpft – von 64 % auf nur noch 35 % im Jahr 2024. Im Gegenzug stieg der Anteil chinesischer Marken auf 65 %.

Ein Treiber dieser Entwicklung ist der Bereich der NEVs (New Energy Vehicles). In China machen sie mittlerweile 45 % der Neuzulassungen aus – deutlich mehr als in Europa (27 %) oder den USA (22 %).

Herausforderungen für westliche Hersteller: Das Beispiel Volkswagen

Auch deutsche Hersteller mussten umdenken. So hat Volkswagen seine China-Strategie überarbeitet. Die lokalen Joint Ventures berichten inzwischen nicht mehr direkt nach Wolfsburg, sondern agieren unter einer eigenständigen Holdingstruktur vor Ort. Grund dafür: Strategien aus Deutschland wurden zu langsam angepasst und die Kenntnisse über den chinesischen Markt waren begrenzt. Besonders im Bereich Software hinken deutsche Hersteller hinterher – chinesische Lösungen sind oft schneller, günstiger und funktionaler.

Erfolgsfaktoren des chinesischen Modells

Prof. Han hob hervor, dass der Aufstieg nicht zufällig, sondern Ergebnis langfristiger Planung sei. China verfolge eine stringente nationale Strategie mit klarer Vision, koordinierter Umsetzung und kontinuierlichem Lernen durch Pilotprojekte auf lokaler Ebene. Auch wenn staatliche Subventionen – häufig in Form von Steuerbefreiungen – nicht immer effizient genutzt werden, ist das Engagement enorm.

Zudem investiert China stark in Zukunftstechnologien: Bei Batterien und Ladeinfrastruktur ist das Land weltweit führend – mit über fünf Millionen öffentlich zugänglichen Ladepunkten.

Konsumverhalten und Innovationsdynamik

Ein oft unterschätzter Faktor: Die chinesischen Konsumenten. Laut Prof. Han sind sie deutlich innovationsfreudiger als etwa deutsche Kunden. In einer kollektivistisch geprägten Gesellschaft verbreiten sich Neuerungen – wie KI-Funktionen oder Komfortoptionen wie die "Power Nap"-Funktion im Auto – deutlich schneller durch soziale Orientierung an Peers. In Deutschland dagegen dominieren individuelle Präferenzen und Skepsis gegenüber Neuem.

Preisvorteile durch vertikale Integration

Ein großer Wettbewerbsvorteil chinesischer Hersteller liegt in ihrer Kontrolle über die gesamte Lieferkette, insbesondere bei Batterien – einem der teuersten Bestandteile von NEVs. Unternehmen wie BYD produzieren ihre Batterien selbst, was Kosten senkt und Abhängigkeiten reduziert. Hinzu kommt die chinesische Entwicklungsphilosophie "Make now, update later", bei der Produkte schnell auf den Markt kommen und Verbesserungen laufend eingespielt werden.

Der Blick in die Zukunft: Expansion ins Ausland

Da der heimische Markt zunehmend gesättigt ist, planen chinesische Hersteller Produktionsstätten im Ausland mit einer Gesamtjahreskapazität von rund 2 Millionen Fahrzeugen. Dennoch stehen sie vor Herausforderungen – insbesondere in Europa. Hier treffen sie auf Zölle, datenschutzrechtliche Bedenken, fehlende Zuliefernetzwerke und kulturelle Differenzen.

Fazit

Der Vortrag von Prof. Han zeigt deutlich: Die globale Automobilwelt hat sich fundamental verschoben. China ist nicht mehr nur Werkbank der Welt, sondern Innovationsführer. Für westliche Hersteller bedeutet das: Umdenken, Partnerschaften und lokales Know-how sind unerlässlich – sonst droht der Anschluss verloren zu gehen.

 

Nächster Beitrag